„Man weiß das Leben wieder mehr zu schätzen“

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26. Oktober 2019
Ehrenamtliche MitarbeiterInnen im Hospizbereich bringen Bewegung in den oft eintönigen Tagesablauf und öffnen ein Fenster nach außen.

Wir reden über alles, auch übers Sterben.

Silke Halvachs, ehrenamtliche Hospizbegleiterin der Diakonie Oberwart

Ob und wie sich Menschen mit dem Sterben auseinandersetzen ist unterschiedlich und zutiefst individuell. Manchmal sind die Gespräche ganz offen, ein anderes Mal wieder wird über Alltägliches gesprochen. Es ist eine Art Fenster nach außen, das Halvachs für die BewohnerInnen öffnet. Ereignisse im Ort, Politisches, oder auch Privates: Alles hat seinen Platz. Und wer bereit ist, der redet auch über seinen letzten Weg.

Halvachs steht laufend im Austausch mit den Angehörigen – auch wenn eine Bewohnerin, ein Bewohner verstirbt. „Wir führen viele Gespräche, haben über die Zeit der Begleitung oft einen intensiven Kontakt hergestellt, kennen auch die Angehörigen gut. Viele brauchen das Gefühl, dass dieser Kontakt nicht gleich abreißt.“ Drei bis vier weitere Treffen sind manchmal nötig, um den Verlust und die Trauer gut einordnen zu können. 

Was braucht man, um als ehrenamtliche Mitarbeiterin, als ehrenamtlicher Mitarbeiter arbeiten zu können? 

Und was sollte man mitbringen, um dieser herausfordernden Arbeit nachzukommen?

„Der Faden nach oben soll straff gespannt sein“, meint Martha Stuchetz. Sie ist Koordinatorin von insgesamt 10 ehrenamtlichen Hospiz-MitarbeiterInnen in Burgenland. Wer einen Glauben hat, dem fällt der Abschied oder der Umgang mit dem eigenen Tod leichter, meint Stuchetz. Fast 40 Jahre hat sie als Krankenschwester gearbeitet und viel praktische Erfahrung auch im palliativen Bereich gesammelt. 

30 Gemeinden werden vom Team betreut, die Hospizgruppe umfasst 10 Ehrenamtliche MitarbeiterInnen. Alle sechs Wochen treffen sich die MitarbeiterInnen zum Austausch. Supervision ist nötig, um sich laufend wieder auf die eigenen Ressourcen zu besinnen und neue Kraft zu schöpfen. Denn die Aufgabe ist bei aller Herausforderung auch erfüllend: „Man bekommt Einblicke ins Leben, die man sonst nicht bekommt“, meint Stuchetz.

Was nimmt sich Stuchetz aus ihrer Arbeit mit? „Man weiß das Leben wieder mehr zu schätzen.“ Noch etwas sollte man im Gepäck haben, wenn man eine Hospizbegleitung andenkt: eine stabile Persönlichkeit, Offenheit und keine Vorurteile. Denn jede Situation ist neu und anders.

Zahlen zum Ehrenamt im Hospizbereich

  • 574 Personen haben 2017 den Befähigungskurs für ehrenamtliche Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung abgeschlossen.
  • 168 mobile Hospizteams 2017 sind in ganz Österreich mit 3.541 Ehrenamtlichen unterwegs
  • 405.092 Stunden wurden in Summe geleistet.

Datenquelle: https://www.hospiz.at/statistik/

Persönliche Schicksalsschläge zwingen Betroffene, sich mit dem Thema Sterben intensiver auseinanderzusetzen. Nicht selten geschieht diese persönliche Auseinandersetzung auch über die Übernahme eines Ehrenamts im Hospizbereich.

Über das Sterben reden lernen

2006 verlor Silke Halvachs im Alter von acht Jahren ihren Sohn an Krebs. Kurze Zeit darauf musste sie sich mit dem Tod ihres Vaters auseinandersetzen. Schicksal, das prägt. „Man setzt sich plötzlich unfreiwillig mit dem Tod auseinander“, erklärt Halvachs, „denkt intensiv über das Sterben nach und muss erst einmal mit diesem persönlichen Verlust klar kommen.“

Zur Traueraufarbeitung besuchte Halvachs schließlich auf Anraten einer Freundin einen Hospizkurs. Hier lernte sie Strategien und Möglichkeiten, mit diesem Verlust umgehen zu lernen. Und schaffte einen schnellen Einstieg in die Arbeit als ehrenamtliche Mitarbeiterin. Seit März ist Halvachs im Diakoniezentrum in Oberwart tätig. Hier begleitet sie zwei hoch betagte Damen im Alter von 86 und 91 Jahren. Einmal in der Woche kommt die 50-Jährige zu Besuch ins Haus für Senioren.