Faktencheck: Aufnahme von Flüchtlingen aus Lesbos

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17. Dezember 2020
Die MinisterInnen Nehammer und Raab haben gestern in Interviews gesagt, dass Österreich heuer bereits 5000 unbegleiteten Minderjährigen Schutz gewährt habe.

Hier wird versucht von der dringend notwendigen Aufnahme der besonders schutzbedürftigen Kinder und ihrer Eltern aus den grauenhaften Lagern auf den griechischen Inseln abzulenken.

Wie kommt die Zahl 5000 zustande?

Es kann sich unmöglich um 5000 unbegleitete Minderjährige handeln, die heuer in Österreich aufgenommen wurden, denn: Bis Ende Oktober sind heuer 1160 unbegleitete Kinder und Jugendliche nach Österreich gekommen und haben einen Asylantrag gestellt.

Es geht also offensichtlich um Kinder, die mit ihren Familien bereits in den letzten Jahren nach Österreich gekommen sind, und hier einen Asylantrag gestellt haben. Viele von ihnen in den Jahren 2015 und 2016. Diese Verfahren wurden heuer entschieden.

Die Aussagen der beiden MinisterInnen sind aus zwei Gründen bewusst irreführend und unseriös.
  1. Es handelt sich definitiv nicht, wie falsch dargelegt um unbegleitete Minderjährige. Die Kinder, von denen die beiden MinisterInnen reden, sind mit ihren Eltern großteils schon vor Jahren eingereist. Einige davon wurden auch erst in Österreich geboren.
  2. Die MinisterInnen wollten den Eindruck erwecken, dass Österreich heuer schon einen großartigen Beitrag zur Bewältigung der akuten humanitären Katastrophe auf den griechischen Inseln geleistet hätte. Das ist nicht richtig. Österreich weigert sich bislang, auch nur ein einziges Kind aus dieser unerträglichen Situation zu retten.
Die Prüfung von Schutz für Geflüchtete ist eine völkerrechtliche Verpflichtung und humanitäre Pflicht.

Österreich muss nicht extra betonen, dass es seiner völkerrechtlichen Verpflichtung nachkommt. Asylverfahren zu führen sollte für eines der reichsten Länder Europas eine Selbstverständlichkeit sein.

Dass Österreichs Regierung aus rein populistischen Motiven seiner moralischen humanitären Tradition nicht mehr nachkommen will und nicht einmal Kinder aus Elendslagern auf europäischem Boden retten will, ist schändlich und mehr als traurig.

Zwischen 1.1. und 31.10.2020 bekamen

  • 6.299 Personen eine positive Asylentscheidung.
  • 1.967 Personen subsidiären Schutz zugesprochen.
  • 1.976 Personen ein humanitäres Aufenthaltsrecht.

In Summe sind das 10.242 positive Entscheidungen.

Diese Entscheidungen betrafen jedoch alle AntragstellerInnen (Frauen, Männer, Familien, Kinder, unbegleitete Minderjährige, Kinder, die von aslyberechtigten Eltern nach der Schutzzuerkennung geboren wurden,…).

Die Anträge von Kindern und Jugendlichen, die ohne ihre Eltern nach Österreich gekommen sind, liegt durchschnittlich bei 10 % der gesamten Asylanträge.

Dass im Jahr 2020 5.000 unbegleitete Jugendliche in Österreich Asyl erhalten haben ist daher auf Grundlage der vom Bundesministerium für Inneres selbst erstellten Statistik auszuschließen.

Autor:innen

Mag. Christoph Riedl
Grundlagen & Advocacy
Sozialexperte Migration, Asyl, Integration, Menschenrechte