Respekt ist keine Einbahnstraße
Straße der Hoffnung
Im Armenwirtshaus der Stadtdiakonie Wien ist jeder willkommen, der Hunger hat. Er zahlt nichts für ein dreigängiges Menü und nur 50 Cent für ein alkoholfreies Getränk.
Das Lokal wurde 1988 von der evangelischen Gefangenen-Seelsorgerin Gerlinde Horn als Tagesstätte für Haftentlassene und Freigänger gegründet. Es ist in der Unterkirche der evangelischen Gustav Adolf Kirche untergebracht und sehr gut besucht. Im „Häferl“ werden pro Tag mehr als 200 Menschen verköstigt.
Service am gedeckten Tisch
Suppe, Hauptspeise und Nachspeise werden auf Tischen serviert, die mit Tischtüchern gedeckt und mit Wasser und Brotkörben ausgestattet sind. „Wir speisen hier nicht aus, wir servieren fast so wie in einem Wirtshaus“, betont Nobert Karvanek, ein gelernter Konditor, der das Lokal am Laufen hält. Den Gästen gegenüber zeigt man damit Respekt und Wertschätzung, was sie nur sehr selten erleben.
Vom Gast zum Wirt
Norbert kam bereits 2002 in das Armenwirtshaus, damals als Gast. Er war selbst mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Die Arbeit im Häferl ist nun nicht nur seine zweite Chance, sondern auch seine Lebensaufgabe geworden. Gleichzeitig ist er als Küster der Pfarre der Pfarrgemeinde als „Mädchen für alles“ angestellt.
Freiwillige willkommen
Auch Freiwillige engagieren sich hier. Insgesamt haben im vergangenen Jahr 350 ehrenamtliche Helfer mit angepackt. Menschen die Sozialstunden abarbeiten, können das auch im „Häferl“ tun. Norbert: „Das ist viel besser als sie wegen einer Geldstrafe, die sie nicht bezahlen können, wegzusperren.“
Ort des Austauschs und der Hilfe
Haftentlassene, für die das Lokal ursprünglich geplant war, kommen kaum noch ins „Häferl“. Viele Gäste sind arbeitslos oder obdachlos, Sozialhilfeempfänger, Bezieher von Mindestpensionen oder Armutsmigranten aus Osteuropa. Das „Häferl“ ist auch ein Ort des Austausches und der Hilfe, wenn es schwer ist, einen Ausweg aus der Perspektivenlosigkeit zu finden.
Großer Bedarf
40.000 Mal pro Jahr konnte die Diakonie zuletzt zumindest den Hunger stillen und für etwas Wärme sorgen. Und der Bedarf an Nahrungsspenden ist weiterhin enorm. Einige Beispiele, welche Mengen an Zutaten verkocht wurden: 1500 kg Erdäpfel, 1400 kg Teigwaren, 670 kg Reis sowie 6500 kg Gemüse und 1700 Eier.
Respekt ist keine Einbahnstraße
Die Gäste sind in den meisten Fällen freundlich, plaudern mit Norbert. Alkohol und Drogen sind verboten. Außerdem ist den meisten bewusst, dass sie sich in einer Kirche befinden. Respekt ist keine Einbahnstraße. So sehen das auch die Gäste.