„Statt einer Hebamme bin ich eine ‚Geh-amme‘“

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24. Oktober 2019
Maria Kugler engagiert sich in der Hospizbegleitung für Menschen mit Behinderungen in Kärnten. Im Interview erzählt sie von ihrer persönliche Motivation für diese freiwillige Arbeit.

Wie lange engagieren sie sich schon als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Hospizbereich?

Das Leben bietet jedem Menschen viele Facetten und Herausforderungen. Viele Biografien sind berührend und zeigen, wie die Vielfalt des Lebens auf individuelle Weise gemeistert wird. Einige Erfahrungen im privaten, aber auch im beruflichen Kontext haben dazu geführt, dass ich dann den Grundkurs zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin absolviert habe. -  Erst spät habe ich erkannt, dass ich gerne den Beruf der Hebamme ausgeübt hätte. Nun darf ich eine „Geh-amme“ sein.

Was war Ihre persönliche Motivation, sich in diesem Bereich zu engagieren?

Mich interessiert das Leben und dieses ist wiederum mit dem Tod untrennbar verbunden. Den Beruf der Diplomierten Behindertenpädagogin habe ich jahrzehntelang ausgeübt, viele Freunde und Freundinnen in der Gruppe der Menschen mit Behinderungen gewonnen. Menschen mit Behinderungen sind für mich sehr wertvolle Menschen, die mit einem besonderen Auftrag für ihr Umfeld kommen. Auf Grund meiner fachlichen Qualifikation und meiner persönlichen Einstellung wurde ich von Frau Scheiring, der pädagogischen Leitung der Hospizbewegung Diakonie für das Projekt angefragt. Und habe dieses mit Freude und zugegeben auch ein bisschen Bauchweh angenommen.

Wie ist es möglich, sich mit Menschen mit Behinderung über das Sterben auszutauschen?

Wahrheit ist zumutbar. Menschen mit Behinderung werden oft aus einem vermeintlichen Schutzgedanken nicht oder falsch informiert oder von einer Situation ferngehalten. Dies spiegelt die Angst und Unsicherheit des Umfeldes vor nicht berechenbaren Konsequenzen wider. Wenn die kognitive Spiegelung nicht oder wenig möglich ist, so spüren Menschen mit Behinderung die Ehrlichkeit und die Gefühle im Umfeld sehr sensibel auf einer anderen unbewussten Ebene. Die Tatsachen ehrlich und beim Namen nennen ist ein wichtiger Aspekt. Die Vermeidung von Sätzen wie „Er ist eingeschlafen“ sind unumgänglich. Da könnte verstanden werden, dass der Verstorbene am nächsten Tag wieder munter wird. Wichtig für die Begleitung von Menschen mit Behinderung ist die verinnerlichte Anerkennung, dass die Behinderung nur ein Teil ihrer Identität ist, dass die Begegnung aus einer echten Selbstverständlichkeit auf Augenhöhe stattfindet und die bedingungslose Akzeptanz des Menschen.

Ein Schwerpunkt liegt auch auf der Begleitung von An- und Zugehörigen. Beschreiben Sie bitte kurz, welche Angebote es hier gibt.

In der Begleitung der Angehörigen sind verschiedene Perspektiven zu beachten, Eltern stehen in einer anderen Beziehung als die Geschwister oder Tanten, Onkel, Großeltern. Es können divergierende Gefühle wie einerseits Zorn, Verletztheit, Ängste und Trauer und andererseits Erleichterung oder Schuldgefühle erkennbar werden. Daher ist es gut und unterstützend in den verschiedenen Phasen der Trauer und der Akzeptanz der Situation sich achtsam auf die Bedürfnisse der  Angehörigen einzulassen. Meist helfen Gespräche und Zuhören, aber sehr oft auch das gemeinsame stille Aushalten der Situation.