Von Gott und der Welt
Mitten in Europa
Sie selbst war schon im kommunistischen Jugoslawien aufgewachsen, und seit der Zeit des Balkankrieges war ihr der Weg in die EU durch die Visumspflicht versperrt. Und doch fühlte sie sich diesem Konstrukt Mitteleuropa zugehörig, auch wenn es sich nur abstrakt durch bunte Stecknadeln auf einer Landkarte präsentierte.
Die Ukraine, Ort blutiger Kämpfe, liegt von Wien genausoweit entfernt wie Vorarlberg. Und doch hat sich die gespürte Entfernung im Laufe der letzten hundert Jahre vervielfacht. Und auch real braucht der Zug heute doppelt so lang nach Lemberg als vor 1914. Die Ukraine ist ein zerrissenes Land, eingespannt zwischen Ost und West, zwischen sprachlichen und konfessionellen Differenzen. Am Maidanplatz gab es eine Zeltkirche, in der abwechselnd orthodoxe und katholische Priester Gottesdienste abhielten. Dieser Ort des gemeinsamen Gebets ist ein Raub der Flammen geworden. Viele Kirchen sind zu Lazaretten geworden. Nun scheint die Europäische Union endlich aktiv zu werden. Spät genug angesichts eines Bürgerkriegs mitten in Europa.
„Von Gott und der Welt“, die Kolumne von Michael Chalupka, erscheint jeden Samstag in der „Krone".