Von Gott und der Welt
Kreuzweg
Erinnert das Kreuz an das Leiden Christi und somit an die Verpflichtung der Christen, für die Schwächsten einzutreten, ist also „eine Selbstverpflichtung des Staates“ wie der evangelische Landesbischof Heinrich Bedfort-Strohm gemeint hat? Oder liegt hier ein „Enteignung des Kreuzes“ vor, so Kardinal Marx? Was ist der Sinn des Kreuzes im öffentlichen Raum?
Folgende Geschichte gibt eine Antwort. Am Neujahrsabend des vorigen Jahres wurden 762 schwere Holzkreuze durch die Hauptstraße Chicagos mitten im glitzernden Bankenbezirk getragen. Auf jedem dieser Kreuze stand der Name eines Opfers, das im Jahre 2017 durch Waffengewalt in Chicago getötet wurde. Pfarrer Michael Pfleger hatte die Angehörigen eingeladen, auf diese Weise ihrer Liebsten zu gedenken und den Skandal der ausufernden Kriminalität und Waffengewalt sichtbar zu machen. Pfarrerin Linda Thomas hat den Angehörigen dabei geholfen, die Kreuze zu finden, die an die, die sie verloren haben, erinnern. „Wir gingen nicht los, bevor jedes Kreuz, seinen Träger gefunden hatte!“ Schließlich schlossen sich auch hunderte Passanten diesem stillen Marsch unter dem Kreuz an.
Das Kreuz erinnert an die Opfer und bringt die zusammen, die Trost brauchen und Trost geben können.
„Von Gott und der Welt“, die Kolumne von Michael Chalupka, erscheint jeden Samstag in der „Krone".