Von Gott und der Welt
Kirchenaustritte
Der positive Effekt des neuen bescheidenen Bischofs von Rom sei wohl erst im nächsten Jahr zu konstatieren. Heuer gab es einzig ein Trostpflästerchen: Die Zahl der Kirchenaustritte war schlimm, aber nicht so schlimm wie im Vorjahr.
Auch die evangelische Kirche kann nicht jubeln, sie kann sich nur trösten. Bei ihr ist es weniger schlimm. Aber auch da von Wachstum keine Rede. Und das überrascht dann doch und macht nachdenklich.
Es gibt keinen Austausch zwischen den Kirchen. Unsere Welt der freien Wahlmöglichkeit funktioniert bei der Kirchenzugehörigkeit nicht.
Wer aus der katholischen Kirche austritt, weil ihm ihre Haltung zur Empfängnisverhütung oder zum Frauenpriestertum gegen den Strich geht, tritt nur in den seltensten Fällen in die evangelische Kirche ein, in der diese Fragen anders gesehen werden. Es ist paradox. Auch wenn Christen aus ihrer Kirche austreten, bleiben sie ihrer Kirche treu. Sie bleiben sentimental der Kirche ihrer Kindheit, ihrer Gefühle verhaftet. Für die Kirchen sollte das eine enorme Herausforderung sein und eine Chance. Hinter der Austrittsstatistik verbergen sich Menschen, die hohe Erwartungen gehabt haben und die ihre Glauben nicht tauschen wie ein abgetragenes Hemd. Die Kirchen müssen gerade auf die zugehen, die im Weggehen sind.
„Von Gott und der Welt“, die Kolumne von Michael Chalupka, erscheint jeden Samstag in der „Krone".