Wenn aus Vorurteilen Wertschätzung wird
Enis, ein syrischer Kindergartenpadägoge in Floridsdorf
Enis, der Kindergartenpädagoge aus Syrien
Enis studiert im letzten Semester Elementarpädagogik in Damaskus, Syrien. Noch drei Prüfungen bis zum Abschluss seines Studiums. Doch durch den anhaltenden Krieg wird es für Enis immer schwieriger, die Universität zu besuchen. Die Aussicht auf ein sicheres Leben und eine sichere Zukunft schwindet mit jedem Bombenalarm. Gemeinsam mit seiner Frau Lela flieht Enis nach Jordanien. Dort werden sie im Flüchtlingscamp für das Humanitäre Aufnahmeprogramm (kurz HAP) ausgewählt.
Vor etwa zwei Jahren kamen Enis und Lela über das Humanitäre Aufnahmeprogramm nach Österreich und wurden in der Basis Zinnergasse des Diakonie Flüchtlingsdienstes untergebracht. Enis und Lela lernten langsam ihr neues Zuhause und eine neue Sprache kennen. Sich in einem fremden Land zurechtzufinden und die Vergangenheit zu bewältigen, kosteten viel Kraft, Energie und Zeit. Dennoch vermisste Enis sein Studium und vor allem die Arbeit mit Kindern. Über das Freiwillige Integrationsjahr gelang es ihm schließlich, in einem Kindergarten der Diakonie Bildung Arbeit zu finden. In Österreich ohne abgeschlossene oder anerkannte Ausbildung in einer pädagogischen Einrichtung zu arbeiten wäre kaum möglich gewesen.
Zuerst die Überzeugungsarbeit, dann die Wertschätzung
Die „Elefanten-Gruppe“ im Floridsdorfer Kindergarten ist ein „bunter Haufen“, wie die Pädagoginnen selbst erzählen. Kinder aus der ganzen Welt im Alter zwischen ein und drei Jahren spielen, singen und tanzen hier gemeinsam. Geredet wird miteinander abwechselnd auf Deutsch oder Englisch.
Für die Kinder spielte es keine Rolle, wo Enis geboren ist oder weshalb er nach Österreich kam. Die Kinder schlossen Enis nach der üblichen Eingewöhnungszeit sehr schnell in ihr Herz. Nicht nur als männliche Bezugsperson sei er für die ganze Gruppe wertvoll, auch für einige Kinder, so wie für Lilly, war er bald die erste und wichtigste Bezugsperson, wie uns eine Kollegin berichtet. Bei den KollegInnen und Eltern wich anfängliche Skepsis nach und nach Begeisterung. Enis‘ Gruppenkolleginnen schätzen seine äußerst hilfsbereite Art und seinen liebevollen Umgang mit den Kindern: „We are so glad to have him here!“
Lernen und Kontakte knüpfen – nach dem Integrationsjahr ist vor dem Integrationsjahr
Nach dem Integrationsjahr will Enis endlich das Studium abschließen. Dafür benötigt er das Deutschlevel B2. Doch im Deutschkurs sitzen alleine, das reicht ihm nicht: „Without connecting to people it’s even harder to pick up any German!“ Abschließend fragen wir Enis noch, was ihm besonders im Kindergarten gefällt. „Dass es ein bunter Haufen ist!“, sagt er und ist bereits wieder zu den Kindern unterwegs.
*sämtliche Namen sind der Redaktion bekannt
Personen aus Syrien, großteils Familien, werden vom Hochkommissariat der Vereinten Nationen nach Kriterien der besonderen Schutzbedürftigkeit ausgewählt und direkt aus den Flüchtlingslagern in Jordanien, der Türkei und im Libanon nach Österreich gebracht.
Im Rahmen des Humanitären Aufnahemprogrammes übernimmt der Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinsam mit Caritas, Caritas Wien und dem Roten Kreuz Oberösterreich die Aufgabe, Flüchtlingen Wohnraum zu vermitteln, berät und begleitet sie von Beginn an in allen Themen des Alltags, organisiert Deutschkurse und unterstützt sie bei der Arbeitssuche und Weiterbildung. Weitere Informationen zum Humanitären Aufnahmeprogramm finden Sie hier.
Das Freiwillige Integrationsjahr ist eine Sonderform des Freiwilligen Sozialjahres. Es kann von asylberechtigten oder subsidiär schutzberechtigten Menschen absolviert werden und ermöglicht ein Kennenlernen des österreichischen Sozialbereichs. Freie Stellen finden Sie auf integrationsjahr.at und weitere Infos zum Freiwilligen Integrationsjahr hier.
Im Rahmen des verpflichtenden Integrationsjahres, gültig seit September 2017, müssen alle asylberechtigten oder subsidiär schutzberechtigen Menschen Maßnahmen wie Kurse, Beratung und Arbeitstrainings absolviert müssen. Praxis und Umsetzung unterscheiden sich bis dato positiv vom Gesetzestext (dazu Stellungnahme Diakonie). So entstehen oder drohen beispielsweise den TeilnehmerInnen hinsichtlich ihrer Bezüge der Mindestsicherung keine Abzüge. Auch der Diakonie Flüchtlingsdienst wird daher Stellen für Arbeitstrainings schaffen, die Umsetzung und Entwicklungen der Integrationsmaßnahmen aber weiterhin im Auge behalten.