Die Hölle auf Lesbos (1.Teil)

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11. Dezember 2020
Diakonie-Menschenrechtsexperte Christoph Riedl mit einem ernüchternden Augenzeugenbericht aus dem Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos.

Sämtliche Fotos wurden von Bewohner:innen des Lagers zur Verfügung gestellt.

Hier mein Bericht aus der neuen Hölle auf der Insel Lesbos, dem Flüchtlingslager Kara Tepe. Ich konnte die Insel Anfang Dezember 2020 gemeinsam mit österreichischen Journalist:innen und der Schauspielerin Katharina Stemberger besuchen. Die Diakonie unterstützt die von Katharina Stemberger initiierte Initiative "Courage - Mut zur Menschlichkeit".

Was uns von den Flüchtlingen und den Hilfsorganisationen und Menschenrechtsorganisationen vor Ort geschildert wurde, ist schwer in Worte zu fassen. Unfassbar ist auch, dass diese Zustände offensichtlich absichtlich herbeigeführt werden und sowohl von der griechischen Regierung als auch der EU Kommission geduldet werden.

Zumindest bis zum heutigen Tag. Es geschieht vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit, da die EU mit mehreren ihrer Agenturen permanent vor Ort ist. Daran kann auch der Versuch der griechischen Regierung, JournalistInnen und NGOs, die über die Zustände berichten wollen, auszusperren und mit hohen Strafen zu bedrohen, nichts ändern.

"Unser Zelt ist zusammengebrochen."

Das Lager Kara Tepe steht an der windigsten Stelle der Insel. Rasch wird uns klar: Die Idee an dieser Stelle etwas Anderes als feste Gebäude errichten zu wollen, ist keine besonders gute Idee.

In der Nacht vom 10. auf 11. Dezember fegte ein orkanartiger Sturm mit stundenlangem Starkregen über die Insel. In unserem geschützten und warmen Hotel erreichten uns die Hilferufe von Flüchtlingen, die wir zuvor getroffen hatten, per Handymessenger.

Eine Mutter schrieb: "Unser Zelt ist zusammengebrochen. Wir haben unser zwei Wochen altes Baby und die Kinder im Nachbarzelt untergebracht. Mein Mann und ich versuchen unser Zelt wieder aufzustellen." Und einige Zeit später, als die Versuche offensichtlich gescheitert waren: "Wir sind jetzt auch bei den Nachbarn."

Die Zelte des Lagers wurden inzwischen angeblich "winterfest" gemacht, wobei das nur bedeutet, dass sie eine Unterkonstruktion aus Holz bekommen haben, damit die Menschen nicht mehr nach jedem starken Regen im Schlamm liegen. Wenn das Zelt allerdings davonfliegt oder zusammenbricht, hilft das wenig.

"Hilfe", die nicht funktioniert

Winterfest bedeutet aber nicht, dass es auch eine Heizmöglichkeit gäbe. Die österreichische Hilfe vor Ort bestand auch in der Lieferung von Heizgeräten. Sie sind strombetrieben und verbrauchen pro Gerät bis zu 3.000 Watt.

Das Problem: Es gibt im Großteil des Lagers überhaupt keine Stromleitungen und auch kein Licht. Wenn man nicht einmal eine Glühbirne anschließen kann, wird das mit den Heizstrahlern schwierig.

Das Lager steht auf einem Gelände, das über keinerlei Infrastruktur verfügt. Es gibt keine Stromleitungen, keine Wasserleitung und keinen Kanal.

Das ist auch der Grund, warum es drei Monate nach der Inbetriebnahme noch immer keine Duschen gibt. Weder könnte das Wasser gewärmt werden, noch das Abwasser abfließen.

Weiterlesen: 2.Teil des Berichts.

Autor:innen

Mag. Christoph Riedl
Grundlagen & Advocacy
Sozialexperte Migration, Asyl, Integration, Menschenrechte