Von Gott und der Welt
Der Gefängnisgarten
Von Lutherpralinen bis zu Luthersocken findet sich alles in den Vitrinen der Souveniershops. Am Rande der Stadt aber, im alten Gefängnis findet sich die Ausstellung „Luther und die Avantgarde“. Zeitgenössische Künstler setzen sich mit den zentralen Gedanken des Reformators und dem Motto „Freiheit und Verantwortung“ auseinander.
Im vorderen Gefängnishof blühen üppig Frühlingsblumen, dazwischen hat die Künstlerin Antje Majewski ein Apfelbäumchen gepflanzt. Der Garten schaut gar idyllisch aus. Doch die Künstlerin hat lauter Gewächse gepflanzt, die sie im Herbarium der Arbeiterführerin Rosa Luxemburg gefunden hatte. In das Herbarium hatte sie fein säuberlich die Blumen, die sie auf dem Gefängnishof gefunden hatte, getrocknet, gepresst und eingeklebt. Zwei Jahre und vier Monate verbrachte Rosa Luxemburg in Berlin, Wronke und Breslau im Gefängnis.
Antja Majewski hat in Wittenberg die innere Freiheit der Gefangenen 100 Jahre nach ihrem Tod zum Blühen gebracht. Der Betrachter erfreut sich an der Blütenpracht und nimmt sich vor, die eigene Freiheit, die ihm tagtäglich geschenkt ist, zu nutzen, für sich und andere. So kann ein Garten an der Gefängnismauer zum Gebet werden.
„Von Gott und der Welt“, die Kolumne von Michael Chalupka, erscheint jeden Samstag in der „Krone".