Cornelius Obonya im Interview

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02. Juli 2021
„Das kann ich tun. Das ist mein kleiner Tropfen.“

Schauspieler Cornelius Obonya ist neben seiner Kunst auch bekannt für seine solidarische Haltung mit geflüchteten Menschen und sein starkes gesellschaftliches Engagement. Was ihn dazu bewegt, hat er uns im Interview erzählt.

Diakonie: Das Thema dieser Ausgabe unseres Magazins ist „Solidarität“, deshalb zunächst meine Frage an Sie: Was bedeutet für Sie „Solidarität“?
Cornelius Obonya: Ich glaube, oder so bin ich auf jeden Fall aufgewachsen, dass Solidarität schlicht und ergreifend bedeutet: Das, was man bekommen hat, zurückzugeben. Ich finde, es ist eine Verpflichtung unserer Gemeinschaft gegenüber. Alle sollten die gleichen Chancen haben – das ist das Allerwichtigste! Meine Frau und ich haben gemeinsam beschlossen, wir möchten unserem jetzt 15-jährigen Sohn ein Vorbild sein und diese Werte weitergeben, um sagen zu können, wir haben es so weit versucht, wie es für uns möglich war.

Für uns im Diakonie Flüchtlingsdienst sind Sie jemand, der Solidarität verkörpert. Sie stellen sich im Regen vor das Bundeskanzleramt, um auf die katastrophale Situation von geflüchteten Menschen auf den griechischen Inseln aufmerksam zu machen und Politiker*innen zum Handeln aufzufordern. Sie sammeln Spenden. Sie sprechen sich gegen Rassismus aus uvm. – warum machen Sie das alles?
Ich sage es Ihnen ehrlich: Das frage ich mich manchmal auch (lacht). Andererseits habe ich das Gefühl, es werden immer weniger, die es wirklich machen. Es braucht vielleicht einen Druck von denjenigen, die man öffentlich wahrnimmt. Das kann ich tun. Das ist mein kleiner Tropfen, denn es ist in Wahrheit ein kleiner Tropfen – die wirkliche Arbeit machen ganz andere.

Die Welt der Kunst und Kultur ist unglaublich vielfältig. Neben dem Aspekt der Ästhetik, der Unterhaltung und der geistigen Anregung, können Kunst und Kultur auch als Plattform dienen, um wichtige gesellschaftliche Themen anzusprechen und Kritik zu üben. Finden Sie, dass Kunst und Kultur in Österreich diese Rolle übernehmen?
Ich glaube, ja. Es gibt einige Künstlerinnen und Künstler, die sich für das einsetzen, wofür ich mich einsetze. Das ist wunderschön. Aber ich denke, niemand ist wahrhaft davon überzeugt, dass er oder sie mit Theater, mit einem Buch, mit einer Skulptur, mit einem Gedicht, mit einem Lied die Welt verändern könnte. Selbst Kabarettisten – ich bin mit einigen befreundet – sagen zurecht: „I was eigentlich ned, wieso i das nächste Programm schreib, weil es ändert si eh nix …“ Und abgesehen davon übertrifft die Realsatire mittlerweile alles, was ich mir erfinden könnte. Natürlich gehen wir ständig mit Texten um, wir gehen ständig mit Kunst um, die hoffentlich etwas bewirken will. Und die Texte wurden auch von Menschen geschrieben, – von Goethe über Shakespeare – die etwas bewirken wollten. Wenn das aber nicht so ist, denn es gibt auch die Felder, wo man ganz normale, leichte Unterhaltung macht, dann muss man sich eben anders einsetzen. Ich finde, es gehört dazu. Wir werden niemanden überzeugen, dass er oder sie eine gewisse Partei nicht wählt. Was wir tun können ist, andere Wege aufzuzeigen!

Ein Mann wie Friedrich Schiller hatte den Mut zu schreiben. Hätte er sich auf die Straße gestellt und gesagt: „Wir wollen etwas Anderes!“, wäre das eigentlich ein Todesurteil gewesen. Heute können wir auf die Straße gehen, weil wir in einer Demokratie leben. Andererseits sollte es uns eigentlich gar nicht geben müssen auf der Straße! Wir arbeiten alle in unseren Vereinen, Initiativen usw., aber hier ist eigentlich das oberste Ziel immer die Selbstauflösung.

Niemand verlässt freiwillig seine Heimat. Und jeder geflüchtete Mensch hat das Recht auf eine Heimat.

Cornelius Obonya

Warum ist es Ihnen wichtig, sich insbesondere für geflüchtete Menschen einzusetzen?
Niemand verlässt freiwillig seine Heimat. Und jeder geflüchtete Mensch hat das Recht auf eine Heimat. Das bedeutet nichts weiter als ein Dach überm Kopf und eine Arbeit zu haben. Da sind wir bei der christlichen Herbergssuche angekommen – und so feiern wir das Jahr für Jahr. Ich liebe Weihnachten als Fest, einfach, weil meine Kindheits-Weihnachten so toll waren. Und wenn ich dann aus dem Evangelium lese, vermischt sich die Schönheit des Weihnachtsfestes mit einer Solidarität zu geflüchteten Menschen.

Was braucht es, um unsere Gesellschaft solidarischer zu machen?
Ein gutes Beispiel zu geben und Diskussionen nicht zu scheuen, ganz simpel im Sinne des Humanismus. Es ist wichtig, Möglichkeiten aufzuzeigen und zu sagen: Wenn du das tust bzw. wenn du Dinge unterlässt, dann passiert das … Dafür gibt es geschichtliche Beispiele. Und zu sagen: Stell es dir ein einziges Mal umgekehrt vor. Du selbst in dieser Situation, deine Frau in dieser Situation, dein Mann, dein Kind, dein Bruder, deine Schwester etc. Den Namen austauschen, das Gesicht austauschen… und Menschen zum Reflektieren anzuregen. Aber es ist letztendlich jedes Menschen Entscheidungsfrage etwas zu tun. Das ist genau die berühmte Rentnerin, die 3,- Euro spendet, aber SIE SPENDET! Das sind die wahren Vorbilder.

Eine gruppe von Menschen sitzt bei Kaffee und Kuchen um einen Tisch.
Gemeinsam die Zukunft gestalten! / © Nadja Meister

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